Tag 2 – Toronto

​An meinem ersten vollen Tag in Toronto mache ich mich in der Früh erst mal auf den Weg Richtung Stadtzentrum. Da ich in der Nähe von Chinatown (optisch enttäuschend, kulinarisch praktisch) einigermaßen zentral wohne, ist alles gut zu Fuß erreichbar. Auf dem Weg komme ich vorbei am Canada Life Building, das für seine digitale Wetterfahne auf dem Dach bekannt ist. Die Spitze gibt farbcodiert simple Wetterberichte (grün für wolkenlos, rot für Regen, weiß für Schnee) und Temperaturvorhersagen an (nach unten kletternde Lichter für fallende Temperaturen, nach oben für steigende).

Nachdem ich mich also überzeugt habe, dass kein Schneesturm mit Kältewelle bevorsteht, kann ich mich beruhigt auf den Weg zum Frühstück machen. Das „eggspectation“ wurde mir schon von meinen Kollegen empfohlen, die hier vor ein paar Jahren bei einem Auslandseinsatz gestoppt haben. Ein ausgezeichnetes Omelette reicht mir dann auch für den restlichen Tag bis zum Abend.

Über den Nathan Phillips Square mit altem und neuem Rathaus und durch das Financial district, geht es zum wohl bekanntesten Gebäude Torontos – dem CN Tower.

Wie bei vielen Türmen dieser Art gibt es eine Aussichtsplattform mit Glasböden und ein überteuertes Rundblick-Restaurant. Anders als bei anderen Türmen kann man hier aber auch auf dem Restaurant spazierengehen. Im Freien. Ohne Geländer. Das nennt sich dann „Edge Walk“ und sieht so aus:

Sich in 356 Metern Höhe über die Stadt zu lehnen und buchstäblich an der Kante entlang zu spazieren ist eine unglaubliche Erfahrung, die mir einen gehörigen Adrenalinkick versetzt. Interessanterweise kommt hier aber so gut wie keine Höhenangst auf, meiner Theorie nach weil ich schon zu hoch oben bin – es fehlt fürs Hirn einfach die Relation zu den anderen Gebäuden, die irgendwo weit unter mir herumstehen.

Da touristisch momentan tote Hose in Toronto ist, habe ich sogar das Glück eine Einzelführung zu bekommen; normalerweise ist man zu sechst mit einem Guide unterwegs, ich habe heute einen für mich alleine. Und der macht sogar noch einen auf Reiseführer und gibt mir jede Menge Sightseeing- und Lokal-Tipps. Praktisch, aber so über der Stadt baumelnd bleibt glaube ich nicht alles von seinen Empfehlungen bei mir hängen…

Nach dieser Erfahrung brauche ich jetzt erstmal ein Bier – gut, dass die Steamwhistle Brewery gleich gegenüber liegt. Dort wird man schon beim Hineinkommen mit einer Gratis-Kostprobe begrüßt, was natürlich zum Besuch der Brauereiführung animieren soll. Ein sehr hinterhältiger und durchschaubarer Marketingplan!

Zehn Minuten später nehme ich also an der nächsten Führung teil und erfahre einiges über die Geschichte der Brauerei, dass sie sich auf nur ein einziges Bier spezialisiert haben (ein durchaus süffiges Pils), und bekomme vor allem weitere Kostproben direkt von der Abfüllanlage.

Beschwingt spaziere ich weiter an der herbstlichen Hafenpromenade entlang (der fehlende Meergeruch irritiert mich, bis ich mir in Erinnerung rufe, dass das hier ein See ist) zum St. Lawrence Market. Dabei handelt es sich um eine weitläufige Markthalle, in der es Essen zu bewundern, Essen zu kaufen und sogar Essen zu essen gibt. Insgesamt erinnert mich alles ein bisschen an den Naschmarkt – wenn dort Chinesen statt Türken dominierend wären.

Ich schnappe mir einen Green Wrap (im Prinzip gerollter Salat, mein mit Abstand gesündestes Essen seit langem) und setze mich damit in einen nahegelegen Park. Dort gibt es wie in ganz Toronto zahlreiche Eichhörnchen, überhaupt nicht scheu, und sehr an meinen Wrap-Resten interessiert.

Der Skulpturengarten der St. James Kathedrale ist mir nur aufgrund seiner aktiven Enttäuschung überhaupt eine Erwähnung hier wert (5 verstreute Betonblöcke sind keine Skulptur!). Positiv überrascht bin ich hingegen von der offenbar recht progressiven Einstellung der Kirche hier; so ein Banner sucht man auf katholischen Kirchen wohl vergeblich.

Den Rückweg wähle ich über den Yonge-Dundas Square, der mir als der Times Square von Toronto beschrieben wurde. Ja eh. Ist ein bisschen kleiner, und hat nicht ganz so viel Leuchtreklame, aber dafür einen mittelmäßigen Feuerschlucker, der zumindest eine brauchbar gute Show abzieht.

Durch die Abendstimmung komme ich nochmals am Nathan Phillips Square vorbei, wo jetzt auch das Toronto-Sign schön vor sich hinleuchtet.

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