Sehr kreativ sind die Koreaner nicht, wenn es darum geht Dinge zu benennen. Das erleichtert allerdings die Orientierung ungemein, wenn man erst einmal ein paar Wörter gelernt hat (z.B. Berg, Tempel, Tor und die Himmelsrichtungen). Ich fahre heute zum Bukhansan-Nationalpark, wörtlich „Berg nördlich des Han(-Flusses)“, der wenig überraschend exakt dort liegt wo es der Name verspricht, und gut mit der U-Bahn erreichbar ist.
Während der Fahrt werden bereits Picknickdecken verkauft, der eigentliche Wahnsinn startet aber erst beim Eingang des Parks. Hier warten buchstäblich hunderte Geschäfte, Stände und fliegende Händler auf wanderfreudige Kundschaft, die sich mit der neuesten Alpinausrüstung eindecken will. Von der Thermo-Unterwäsche bis zum Wanderstock ist alles zu haben, zusätzlich natürlich Verpflegung in jeglicher Form. Heute ist Freitag und ich fühle mich schon leicht überwältigt, ich möchte gar nicht wissen, wie es hier am Wochenende zugeht.
Zum Glück ist das Gelände des Parks wirklich riesig und nach ein paar hundert Metern verteilen sich die Massen sehr gut. Die asphaltierte Straße geht recht bald in eine Forststraße und schließlich in einen Waldweg über und die Bedingungen könnten mit 18 Grad und strahlendem Sonnenschein besser nicht sein. Streifenhörnchen hüpfen dem Waldrand entlang, die Blätter beginnen gerade sich herbstlich zu verfärben, kurzum es ist fast schon kitschig idyllisch.
Zum Gipfel hin wird es sogar ordentlich steil und die letzten zwanzig Meter hantelt man sich über blanken Fels an einem Drahtseil entlang. Anstrengend, aber leicht zu schaffen und der Ausblick entschädigt allemal für die Mühen.
Mama, du kannst jetzt aufhören zu lesen, der Weg hinunter war komplett langweilig und genauso ruhig wie der hinauf.
Für alle anderen: da kam dann irgendwann dieses Schild…
Als Vertreter einer Bergnation kann ich das natürlich nicht so auf mir sitzen lassen, also biege ich nach rechts ab. Ein kurzer, steiler Pfad nach oben, dann offenbart sich mir ein grandioser Blick auf einen Grat zum nächsten Gipfel.
Der Weg beginnt auch noch gemütlich genug, das gespannte Drahtseil kommt mir etwas übervorsichtig vor. Das ändert sich recht bald. Die Strecke führt nämlich tatsächlich direkt den Grat entlang, links und rechts geht es in die Tiefe und ich bin froh, etwas zum Anhalten zu haben.
Manche Abschnitte wären ohne Steighilfe auch überhaupt nicht zu bewältigen, nachdem es immer wieder über nackten Fels nach oben oder unten geht. Ein Klettersteig-Set würde hier durchaus positiv zu meinem persönlichen Sicherheitsgefühl beitragen.
Als ich an einer Stelle auch noch zu einer Primitivform von Kaminklettern übergehe (das klingt besser als „irgendwie mit allen Vieren und dem Arsch verspreizt“), wünsche ich mich kurz auf den Touristenweg zurück. All das übrigens auch noch mit umgehängter Kamera und konstantem Gegenverkehr.
Nach einer halben Stunde bin ich dann aber mit nur einer leichten Schürfwunde am nächsten Gipfel und wieder auf einem normalen Weg angelangt. Dieser Abstecher fällt für mich in die etwas seltsame Kategorie „ich bin froh, dass ichs gemacht habe, aber ich hätte es sicher nicht gemacht, wenn ich gewusst hätte, was mich erwartet“. Ich bin jedenfalls dankbar für meine Kletter(steig)-Erfahrung aus der Jugend.
Der restliche Abstieg ist dann tatsächlich wieder gemütlich, führt noch an einem Tempel vorbei und endet schließlich wieder bei einer U-Bahnstation. Insgesamt eine tolle Tour mit etwas unerwartetem Adrenalinschub in der Mitte.
Schreibe einen Kommentar