Absurd. Das ist das Wort, das mir heute am häufigsten durch den Kopf schießt.
Die DMZ ist wohl eine der merkwürdigsten Touristenattraktionen der Welt. Die Demilitarisierte Zone ist ein vier Kilometer breiter Streifen Land, der nach dem Koreakrieg definiert wurde und sich durch die gesamte koreanische Halbinsel zieht und damit Nord- von Südkorea trennt. Innerhalb dieser Zone darf sich – mit ganz wenigen Ausnahmen – niemand aufhalten und es drängt sich die Annahme auf, dass sie durchgehend vermint ist.
Nachdem der Krieg offiziell nie beendet wurde (es herrscht lediglich Waffenstillstand), ist man auf beiden Seiten natürlich in konstanter Alarmbereitschaft und bewacht seine Seite der DMZ außergewöhnlich gut.
Meine Tour beginnt in Camp Kim, einem amerikanischen Militärstützpunkt mitten in Seoul. Nachdem man sich mit Reisepass registriert und einen Haftungsausschluss unterschrieben hat, darf man sich im Warteraum noch eine halbe Stunde vom AFN – dem Armed Forces Network – am Fernseher berieseln lassen.
Dann beginnt die Bustour zum Third Tunnel, einem von vier (offiziell) entdeckten Infiltrationstunnels, der von Nordkorea unter der DMZ gegraben wurde. Der Besuch startet mit einem Video, das irgendwo zwischen Informationen über den Koreakrieg, Propaganda und Tiervideo angesiedelt ist. Der Kontrast ist absolut absurd, zuerst sieht man fallende Bomben und hungernde Menschen bei dramatischer Musik, um übergangslos zu durch grüne Wiesen hüpfenden Babyhasen zu springen. Die DMZ ist nämlich tatsächlich ein ausgesprochenes Paradies für die Flora und Fauna, da Menschen hier schlicht und einfach keinen Zutritt haben.
Anschließend geht es in den Tunnel selbst (Fotografieren verboten). Der ist mit seinen durchschnittlich 160 Zentimetern Höhe zwar nichts für Klaustophobiker, aber dennoch überraschend geräumig dafür, dass er komplett im Geheimen gebaut wurde. Im Angriffsfall hätten hier bis zu 30.000 Soldaten pro Stunde durchmarschieren können.
Von Südkorea wurden mittlerweile drei massive Betonwände eingezogen, die erste davon erreicht man nach etwa zehn Minuten, danach muss man – irgendwie logisch – wieder den gleichen Weg zurück.
Die überall an die Wand geschmierte schwarze Farbe sollte übrigens als Ausrede dienen, sollten die Nordkoreaner bei den Bauarbeiten erwischt werden – zur Tarnung als Kohlebergwerk.
Nächster Stopp ist das Dora-Observatorium, wo man von einer Aussichtsplattform mit Münzfernrohren ein Blick nach Nordkorea werfen kann. Was man sieht ist eigentlich völlig uninteressant – wenn es eben nicht Nordkorea wäre.
Von beiden Seiten wird mit Lautsprechern Musik über die Grenze gedröhnt – kommunistische Märsche von der einen und westliche Popmusik von der anderen Seite.
Nach dem Mittagessen geht es weiter zur Dorasan Station, im Prinzip ein simpler Provinzbahnhof. Dieser hat allerdings viel symbolische Bedeutung, da von südkoreanischer Seite immer der Wunsch auf Wiedervereinigung mit dem Norden extrem betont wird. Und so soll diese Station „den ersten Stopp nach Nordkorea“ repräsentieren und man träumt von einer durchgängigen Zugfahrt von Seoul bis Europa.
Der letzte Tourstopp ist das eigentliche Highlight. Während wir uns bis jetzt im südkoreanischen Grenzbereich aufgehalten haben, geht es nun direkt in die DMZ selbst. Möglich ist dies in der JSA, der Joint Security Area, einer kleinen militärischen Siedlung genau auf der Grenze, die quasi als neutraler Treffpunkt für Verhandlungen zwischen Norden und Süden dient.
Ab hier übernimmt das Militär. Nach einer Passkontrolle im Bus und einem weiteren Erklärungsfilm muss man noch bestätigen, dass man weder herzkrank ist noch in den Norden überlaufen möchte.
Dann wird man von einem US-Soldaten direkt an die Grenze (offiziell „Militärische Demarkationslinie“) geführt – im Verhandlungsraum darf man diese sogar überqueren und steht damit auf nordkoreanischem Boden. All das natürlich unter strenger Bewachung.
Von außen darf man dann noch für ein paar Minuten Fotos machen – aus Sicherheitsgründen allerdings nur in nordkoreanische Richtung.
Dort steht lediglich ein einsamer Soldat Wache, von den Amerikanern wird er scherzhaft als Bob bezeichnet. Bob ist ein armes Schwein, er hat nämlich eine 12-Stunden-Schicht und sein Hauptjob ist „Fotomotiv für westliche Touristen“.
Bob (und sein versteckter Kollege Steve) wird aber zu unserem Schutz von den südkoreanischen Soldaten genau im Auge behalten. Diese bleiben dabei immer zur Hälfte hinter den Gebäuden verborgen – einerseits um im Ernstfall eine geringere Angriffsfläche zu bieten und andererseits um mit der versteckten Hand heimlich Signale nach hinten geben zu können.
Zum Abschluss kann man sogar hier Souvenirs kaufen (T-Shirts, Pistolen-Schlüsselanhänger und Wein nach nordkoreanischem Rezept), bevor es wieder zurück zu Camp Kim in Seoul geht.
Was ich von diesem Tag genau halten soll weiß ich noch nicht. Alles in allem war es mit Sicherheit eine einmalige Erfahrung an einem der seltsamsten Orte dieser Welt und ich bin froh, die Tour gemacht zu haben. Aber eben alles vollkommen absurd.
Kommentare
4 Antworten zu „Tag 20 – DMZ“
Very spooky!
Das eigens dafür gekaufte Hemd bekommt aber wohl nun einen Ehrenplatz.
Das ist ob der leider etwas suboptimalen Passform und Qualität gleich in Korea geblieben…
Echt krass!!
Danke. Endlich weiß ich, wohin ich niemals reisen möchte …
Gabriele aus Hamburg